Im Rauschen dieser Zeit.

Begeisternder Gospel-Gottesdienst in der Dorper Kirche mit Einführung neuer Presbyteriumsmitglieder.

Beim Gospel-Gottesdienst zum Abschluss des mehrtägigen Gospel-Projekts unter Leitung von Kreiskantorin Stephanie Schlüter mit rund 70 Teilnehmenden hat der Chor im Sonntags-Gottesdienst begeistert. In der vollbesetzten Dorper Kirche wurden Katharina Höffken als neue Preybyterin unter 27 Jahren und Ralf Weck als nachberufener Presbyter in ihr Amt eingeführt. Die Stelle von Ralf Weck war in der aktuellen Gemeindeleitung vakant gewesen; die Stelle der Jugend-Presbyterin war schon 2023 durch Katharina Höffken besetzt worden, mit Beginn der euen Amtszeit musste erneut die Berufung und Einführung erfolgen. Wir dokumentieren die heutige Predigt von Pfarrer Jo Römelt zum Thema „Rauschen“, das an das Lied „Im Rauschen dieser Zeit“ von Sam Samba und Timo Böcking anknüpft. Der Gottesdienst kann auf dem YouTube-Kanal der Ev. Kirchengemeinde Dorp nochmals angeschaut (und vor allem angehört) werden.

„Ich will deine Stimme hörn im Rauschen dieser Zeit!“ Ich weiß nicht, wie es Euch geht: Mir spricht dieses Lied echt aus dem Herzen. Habt Ihr auch den Eindruck, dass es mächtig „rauscht“ im Moment? Es gibt ja so ein Grundrauschen immer in unserem Leben. Die Geräusche, die uns umgeben. Die Gespräche, die wir führen. Die Werbung überall. Die Unmengen von Nachrichten, die ganzen Botschaften und Stimmungen um uns herum. Und in uns selber „rauscht“ es ja auch. In meinem Kopf spricht es ganz häufig. Und diese inneren Stimmen, die sind ja zum Teil uralt. Manche meinen es gut mit uns. Manche machen uns aber auch ganz schön runter. Oder setzen uns unter Druck.

Also: es „rauscht“ eigentlich immer. Aber ich habe den Eindruck: das Rauschen „dieser Zeit“, jetzt, ist nochmal besonders stark. Ein Beispiel: Wir erleben gerade Hassbotschaften und Fake News wie schon lange nicht mehr. Klar, gelogen wurde immer schon, seit es Menschen gibt. Aber die Lügen hatten wahrscheinlich noch nie so ein Ausmaß und eine Reichweite und Wirkung wie jetzt. Früher war es Mächtigen wenigstens noch ein bisschen peinlich, wenn sie beim Lügen erwischt wurden. Heute ist das den Trumps dieser Welt völlig egal. Und ihre Fans bejubeln sie sogar noch dafür. Und dann „rauscht“ es in vielen Diskussionen gerade ganz heftig. Ich erlebe so viele Stimmen, die aufgeregt sind und aggressiv und zornig. Gerade im Netz könnt Ihr das immer wieder sehen. Da muss manchmal nur ein bestimmtes Wort fallen, und sofort gehen Leute in die Luft und hauen drauf. Und ehrlich gesagt: Mir selber geht das manchmal auch so.

Der Psychologe Volker Busch hat dafür einen schönen Vergleich gefunden: er spricht von Entzündung! Er sagt: „Wenn wir uns einen schmutzigen Splitter in den Fuß jagen und die Stelle wird heiß und rot, dann kämpft der Körper gegen Viren oder Bakterien und arbeitet daran, diesen Splitter wieder loszuwerden. Das ist fies, aber sinnvoll und wichtig. Wenn sich unser Körper aber wegen jeder Kleinigkeit entzündet oder chronisch entzündet ist, dann tut das überhaupt nicht mehr gut, sondern macht uns nur krank. Und schwächt uns.“ Und Busch hat den Eindruck, unsere Gesellschaft ist gerade chronisch an vielen Stellen „entzündet“. Ich fürchte, er hat recht.

Der große Gospel-Projektchor unter Stephanie Schlüter

Ja, es „rauscht“ gerade richtig heftig. Und damit man in diesem Rauschen nicht untergeht, ist es so wichtig, auf eine Stimme zu hören, die anders ist. Die aufbaut und ermutigt. Die auch Missstände aufzeigt, aber nicht, um fertigzumachen und auf Menschen rumzuhacken. Sondern um Dinge zurechtzubringen. Um zu heilen. Ich glaube, wir brauchen gerade im Moment eine Stimme, die uns stärkt und unsere Ängste zur Ruhe bringt. Und einen Weg zum Frieden aufzeigt, der diesen Namen wirklich verdient. Und ich glaube, genau so redet Gott mit uns. Jeden Tag.

Der Punkt ist nur: Gottes Stimme ist meistens leise. Vielleicht kennt Ihr diese wunderschöne kleine Geschichte um den Propheten Elia. Der ist ja auch buchstäblich „entzündet“ für Gottes Sache, der brennt dafür. Aber aus dieser guten Entzündung wird nach einer Weile was Zerstörerisches. Und Elia brennt buchstäblich aus. Und Gott verspricht, ihm zu begegnen und ihn zu stärken. Elia stellt sich also auf einen Berg und wartet auf Gottes Stimme. Erst kommt ein Wahnsinnssturm, dann ein Erdbeben und schließlich noch ein heftiges Feuer. Also „Rauschen“ wäre hier noch mächtig untertrieben. Aber in all diesen lauten Ereignissen ist Gott gerade nicht. Er kommt in einem „einer Stimme verschwebenden Schweigens“, wie es da so schön in der Geschichte heißt. Also so ähnlich, wie wenn der Chor ein Lied ganz leise beendet. Und diese leise Stimme ist es, die Elia wieder aufbaut.

Jesus hat genau diese Stimme in seiner Taufe gehört. Und er hat sich wie Elia dem Rauschen seiner Zeit immer wieder entzogen, den ganzen Streitgesprächen, den Erwartungen der Menschen um ihn herum, der politischen Hitze seiner Zeit. Und ist auf einen Berg in die Stille gegangen, um diese leise Stimme wieder neu zu hören: „Du bist mein geliebtes Kind, ich freue mich so sehr an Dir!“ Ich glaube, es ist gerade jetzt so wichtig, das zu tun. Das Rauschen immer wieder mal hinter uns lassen und einen Ort suchen, an dem es still ist. Wenn Ihr das Rauschen dieser Zeit nicht mehr ertragen könnt, dann nehmt Euch einen stillen Moment und denkt an diesen Satz: „Du bist mein geliebtes Kind, ich freue mich so sehr an Dir!“ Das gilt Euch ganz persönlich! Gott will Euch das jeden Tag, jede Stunde neu sagen. Und kein Rauschen dieser Welt kann diesen Satz ungültig machen oder zum Schweigen bringen.

Und gleichzeitig müssen wir sehen: Manchmal zieht uns das Rauschen dieser Zeit einfach mächtig runter. Und setzt uns echt zu. Und da hilft es gar nichts zu sagen: „Als Christenmensch müsste ich doch trotzdem stark und zuversichtlich und fröhlich sein.“ Nein, wenn Ihr Euch im Rauschen dieser Zeit einfach nur müde und mutlos und manchmal ohnmächtig fühlt, dann nehmt das so an, wie es gerade ist. Es ist völlig verständlich. Ihr seid damit bei Elia in guter Gesellschaft. Diese Zeiten sind belastend und anstrengend. Und manchmal kann man nur mit dem Lied von eben sagen oder besser noch singen: „Wenn der Nebel dichter wird, dann nimm mich an die Hand und halt mich fest!“

Und dann können wir neu schauen, wie wir in Gottes Sinne mit dem Rauschen dieser Zeit umgehen können. Wir können uns ja nicht dauerhaft da herausziehen. Es gehört zu dieser Welt und zu unserem Leben. Gott sendet Jesus ja ganz bewusst in diese „rauschende“ Welt. Und uns dann ja auch. Deswegen: was könnte unsere Aufgabe gerade jetzt sein?

Katharina Höffken und Ralf Weck wurden von Pfarrer Jo Römelt und Presbyterin Angelika Pollmann in ihr Amt eingeführt.

Ich finde, dass die Worte aus dem Römerbrief von eben uns da ganz kostbare Hinweise geben. Paulus schreibt: „Passt euch nicht dieser Zeit an. Gebraucht vielmehr euren Verstand in einer neuen Weise und lasst euch dadurch verwandeln. Dann könnt ihr prüfen, was dem Willen Gottes entspricht.“ Ich übersetze das mal frei: „Macht nicht alles mit, was gerade passiert. Und verstärkt das Rauschen dieser Zeit nicht mit dem, was Ihr sagt und tut. Sondern gebraucht Euren Verstand und schaut genau hin und prüft die Dinge. Wenn Ihr Nachrichten hört oder im Netz etwas lest, dann prüft erst einmal: aus welcher Quelle kommt das? Ist die vertrauenswürdig? Oder haut da jemand irgendetwas raus, um Stimmung zu machen? Lest in der Zeitung nicht nur die Schlagzeilen. Sondern den ganzen Artikel. Dann stellen sich manche Dinge plötzlich ganz anders dar als in der reißerischen Überschrift. Wenn Ihr in einer Diskussion seid, gerade auch im Netz, dann prüft Eure Worte, bevor Ihr sie sagt oder schreibt: Ist das, was ich da sage, auch belegt und belastbar? Ist es hilfreich? Wie ist der Ton, in dem ich spreche? Könnte ich es selber gut hören, wenn jemand so mit mir reden würde? Lasst uns einen anderen Ton und Stil in das Rauschen dieser Zeit bringen.

Dann weiter: „Lasst nicht nach in eurem Eifer. Lasst euch vom Geist anstecken und dient dem Herrn. … Lasst euch auf die Unbedeutenden ein. … Seid alle miteinander auf Einigkeit aus. … Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit das möglich ist und es an euch liegt.“ Das klingt ja erstmal etwas widersprüchlich: geistlicher Eifer auf der einen Seite – und Einigkeit und Frieden auf der anderen. Aber gerade diese Spannung passt total. Um nochmal Volker Buschs Bild von der Entzündung zu nehmen: An welcher Stelle ist es wichtig, dass wir uns als Christenmenschen „entzünden“ und empören? Und stark für andere Menschen eintreten? Gerade für die „Unbedeutenden“, die Schwächsten unserer Gesellschaft? Und an welchen Stellen ist es wichtig, dass wir entzündungshemmend wirken, uns nicht aufregen, die Empörung nicht mitmachen und stattdessen dazu beitragen, dass Menschen runterkommen? Ohne zu beschwichtigen und das Deckmäntelchen der Liebe über die Dinge zu legen? Ich glaube, dass das im Moment ein wichtiger Auftrag für uns ist: entzündungshemmend zu wirken – im Ton, im Stil, im Umgang miteinander. Dass auch Menschen, die anderer Meinung sind, spüren, dass wir sie als Menschen achten und respektieren.

Das ist nicht immer leicht. Aber mir hilft da oft eine weitere Empfehlung aus Römer 12, die auch Jesus in der Bergpredigt gibt: „Segnet die Menschen, die euch verfolgen. Segnet sie und verflucht sie nicht.“ Da fragt man sich zuerst: „Hallo?? Wie soll das gehen?“ Aber versucht es mal! Segnet die Menschen, über die Ihr Euch aufregt, mit denen Ihr echt Probleme habt, die Euch fremd sind oder sogar Angst machen. Ich mache das in letzter Zeit öfter: im Bus, am Grafen, irgendwo unterwegs, in der Gemeinde, bei Diskussionen auf Facebook, bei denen mir der Kamm schwillt. Und ich merke, dass mir das hilft, runterzukommen. Wenn ich andere segne, dann sehe ich sie für einen Moment als Menschen, an denen Gott etwas liegt. Und die seinen Segen genauso brauchen wie ich. Das rechtfertigt keineswegs alles, was sie tun. Und das soll Widerspruch gegen sie nicht abwürgen. Aber ich sehe sie dadurch als Menschen, mit denen mich trotz allem etwas verbindet.

Und noch etwas hilft. Die Autorin Karin Kuschik erzählt, wie sie einmal an einem Filmset ist, um jemanden dort zu interviewen. Als sie ankommt, ist die Stimmung total aufgeheizt: alle sind hektisch und aggressiv, Leute brüllen sich an. Nur eine junge Schauspielerin sitzt gelassen und entspannt an einem Tisch und trinkt einen Tee. Karin Kuschik spricht sie an und fragt: „Wie machen Sie das, hier so ruhig zu bleiben?“ Die junge Frau antwortet: „Ach, wissen Sie, worüber ich mich aufrege, entscheide ich immer noch selbst.“ Wunderbarer Satz, gerade für das Rauschen dieser Zeit. Packt ihn ein und nehmt ihn mit.

Ihr Lieben, wir können uns dem Rauschen dieser Zeit nicht entziehen. Aber wir müssen uns ihm auch nicht anpassen. Sondern können mit Gottes Hilfe einen anderen Klang hineinbringen. Deswegen möchte ich mich und Euch einfach nochmal ermutigen: Lasst uns seine Stimme suchen und auf sie hören. In der Stille. Aber gerade auch in der Musik. In so wunderbaren Liedern wie denen, die wir heute singen. Ich habe das Gefühl: in diesen Worten und Klängen kommt er direkt zu uns und „nimmt uns bei der Hand“. Mir geht das besonders so mit dem nächsten Lied, in dem es so ungefähr heißt: „Wenn du mich hältst, muss ich keine Angst haben!“ Genau dieses Versprechen brauchen wir – im Rauschen dieser Zeit.
Amen.

Jo Römelt

Marcus Nicolini / Gemeinde Dorp