Gebet von Pfarrer Jo Römelt zum 7. Oktober.

Heute jährt sich der Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel zum ersten Mal.

Gott, dieser Tag heute macht mich stumm. Ein Jahr ist es jetzt her… Und das Leid ist allgegenwärtig. Ich weiß gar nicht, ob ich mich dazu äußern darf. So sicher, wie ich hier lebe. Im Frieden – und nicht gefährdet wegen meiner Religion und Volkszugehörigkeit. Ich habe leicht reden.

Pfarrer Jo Römelt

Und trotzdem bringe ich Dir alles, woran ich denke: Das unfassbare Leid jüdischer Menschen am 7. Oktober. Die unglaubliche Gewalt, die sie da erleben mussten. Ich bitte Dich für die Ermordeten, Verletzten, Vergewaltigten, die traumatisierten und tief verängstigten Menschen. Für alle, die vertrieben worden sind und bis heute nicht zurückkehren konnten. Ich bitte Dich für die jüdischen Menschen hier bei uns, die angefeindet, bedroht und sogar angegriffen werden. Die sich fragen, ob sie hier eine Zukunft haben. Es macht mich fassungslos, dass es so ist. Stopfe allen das Maul, die jüdische Menschen hier beschimpfen und bedrohen. Und zeig uns, wo wir lauter und deutlicher werden müssen.

Und ich denke an das Leid der Menschen in Gaza und Libanon. Ihre Verzweiflung. Den Schmerz über unfassbar viele Getötete. Den Hunger und den Mangel an so vielem. Die Verletzungen, die nicht behandelt werden können, weil es am Nötigsten fehlt. Die Aussichtslosigkeit und Ohnmacht. Ja, es wird gewarnt. Aber was nützt das, wenn man nicht weiß, wohin man fliehen soll?

 Gott, ich klage Dir die Rücksichtslosigkeit der Kriegsführung. Und die Menschenverachtung, unschuldige Menschen als Schutzschilde zu missbrauchen. Ich bringe das Leid der Menschen in der Westbank vor Dich, auf deren Land ungehindert Siedlungen entstehen. Die oft Willkür und Gewalt erleben. Ihre Ölbäume und Felder einfach nicht mehr erreichen. Und zugleich all die Angst und das Leid der Menschen, deren Dörfer und Städte von Raketen bedroht und beschossen werden. Im Norden Israels und, ach, fast überall.

Ich höre immer wieder Menschen, Freunde sagen: Warum sagst Du nicht mehr dazu? Warum stehst Du nicht eindeutiger auf unserer Seite? Ich kann nicht. Ich möchte für Waffenstillstand in Gaza demonstrieren – und kann und will es niemals an der Seite von Menschen, die Israel vernichtet sehen wollen. Und ich kann mich nicht zu Israel bekennen, ohne das Leid der Menschen in Palästina zu sehen. Wie kann, wer ein Herz hat, nur eine Seite sehen? Ich bitte Dich einfach von Herzen: Lass das Leid enden! Hilf, dass die Waffen schweigen! Bring die Mächtigen beider Seiten zur Vernunft! Mach das Unmögliche möglich: dass alle einander sehen. Den Schmerz der anderen verstehen. Und ihre berechtigten Anliegen achten. Schenk Bereitschaft zum Gespräch. Zum Frieden. Nicht nur dort. Und mach uns Mut, hier den Mund aufzumachen und zu handeln, wenn Hass und Verachtung verbreitet werden. Egal von wem.

Amen.

Joachim Römelt

Gemeinde Dorp (Screenshot)