Jeder Mensch kann etwas tun.

Gabi Bergfelds Gedanken und Ideen am Tag der sozialen Gerechtigkeit.

Die Vereinten Nationen haben 2009 erstmals den Tag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar ausgerufen. Er soll auf soziale Ungerechtigkeit weltweit aufmerksam machen und zu ihrer Überwindung aufrufen. Auch in Solingen und in Dorp.

Vor zwei Jahren habe ich an dieser Stelle zum ersten Mal Gedanken zum Tag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar veröffentlicht. Nun ist wieder der 20. Februar. Hinter der Idee dieses Tages steht das Wissen, dass soziale Gerechtigkeit wichtig ist: Sie ist Ausdruck der Wertschätzung eines Menschen, sie schützt die Würde jedes Einzelnen und sie ist Voraussetzung für Frieden. Unsere Welt bestätigt gerade, wie wahr diese Zusammenhänge sind! Wie gerne hätten wir auf diese Zumutungen verzichtet, diese nicht endenden Katastrophen, Krisen, Kriege. Wie sehr haben viele von uns gebetet für Frieden, sich engagiert, gespendet, Haltung gezeigt. Und wie viele gehen gerade auf die Straßen und Plätze, um Demokratie und Menschenwürde zu verteidigen, das nächste Mal in wenigen Tagen, am 24. Februar, mit „Solingen singt und leuchtet“ auf dem Neumarkt. Richtig und wichtig und weiter so!

Und doch möchte ich den Blick einmal wenden, aus anderer Perspektive hinsehen. Von der großen, kämpferischen Theologin Dorothee Sölle kommt der Satz: „Den Luxus der Hoffnungslosigkeit können wir uns nicht leisten.“ Dazu passt, was Pfarrer Christian Menge in seiner Predigt über die Versuchungen Jesu (Mt. 4,1-11) am
18. Februar in der Dorper Kirche ausgeführt hat. Die Versuchung, der eigenen Ratlosigkeit und Niedergeschlagenheit nachzugeben, seufzend die Hände in den Schoß zu legen, weil man ja doch „nichts machen kann und alles nichts bringt“, das ist eine Form der Gottesferne und (ungeplanter, ungewollter, unbewusster) massiver Machtausübung. Denn die Macht derjenigen, die resignativ alles geschehen lassen und ihre Stimme und Tatkraft nicht für die oben genannten Ziele einsetzen, die ist groß. Gerade die Menschen, die unmittelbar unter sozialer Ungerechtigkeit, unter Diktatur, Krieg und Folgen des Klimawandels leiden, brauchen unsere Initiative, unsere Stimme, unsere Aufmerksamkeit und Hilfe. Sie brauchen politische Veränderungen ebenso wie unmittelbare Zuwendung.

Gabi Bergfeld

Wo anfangen? Natürlich mit dem ersten Schritt! Und sei der auch noch so klein. Da haben wir in Jesus ein gutes Vorbild. Er hat sich immer dem Nächsten zugewandt. Er hat den Einzelnen wahrgenommen und gewürdigt, sei es der im Baum verborgene Zöllner Zachäus, der blinde Bartimäus, die Ehebrecherin oder die Kinder, die seine Nähe suchten. Seine Art, diese Menschen zu stärken, sie aus ihrer Verkrümmung und ihrem Abseits herauszuholen, hat nicht nur diesen Menschen gutgetan, sondern die Welt verändert. Diese Einsicht findet sich wieder in Weisheitssätzen der drei monotheistischen Religionen. „Was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan.“ (Matthäus 25,40), so steht es in der Bibel. Und im jüdischen Talmud: „Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“. Unsere muslimischen Geschwister lesen im Koran: „Wenn jemand einen Menschen tötet, so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben schenkt, so ist es, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben geschenkt.“ (Sure 5,32)

Gucken wir also an, was alles geht, beginnen wir bei den Möglichkeiten und nicht bei dem Unmöglichen. Dazu ein paar Anregungen und Ideen:

Ich gehe mit offenen Augen und Ohren meiner Wege. Ich grüße nicht nur meine Nachbarn, ich erkundige mich mit wirklichem Interesse: „Wie geht es dir?“ So halte ich Einsamkeit klein und werde aufmerksam dafür, wo ein Mensch in irgendeinem Belang Hilfe braucht.

Ich übe mich darin, meine eigenen Gedanken zu überprüfen auf ihre Ursprünge und Auswirkungen. So wurde mir bewusst, dass ich noch immer überrascht bin, wenn ein Mensch den Busfahrer in fließendem Deutsch nach dem Weg fragt. Ahnen Sie, wieso ich für möglich hielt, er würde nicht Deutsch sprechen? – Ich frage mich auch, ob ich Menschen, die ganz offensichtlich in prekären Verhältnissen leben, schneller mit Vorurteilen begegne als Menschen aus meinem Umfeld? Denke ich, dass sie „irgendwie“ doch selber Schuld sind an ihrer Notlage? Ist es überhaupt überwiegend eine Frage des „Verdienstes“, wie wir leben?

Ich trage den Gedanken unseres Präses Thorsten Latzel weiter, der den zunächst irritierenden Satz schreibt: „Die Kollekte ist ein Herzstück unserer Gottesdienste.“ Es geht darum, sein Scherflein beizutragen, damit Gutes in der Welt wachsen kann. Damit andere, die mit ihrer Tatkraft vor Ort helfen, auch von mir zumindest finanziellen Rückhalt bekommen. Alles, auch das Geben und Teilen, geschehe in Liebe. (Jahreslosung 1. Kor. 16,14)

Ich unterstütze den Dorper Diakonieverein  (Kontakt: Iris Schmitz-Goertz, Tel. 0212 287122), der immer ansprechbar ist für Menschen aus unserem Gemeindegebiet, die in akuter Notlage sind. Denn es kann in manchen Haushalten eine kleine Katastrophe sein, wenn die Waschmaschine nicht mehr zu reparieren ist und kein Geld für ein neues Gerät da ist. Und ich merke, wie gut ich es habe, denn meine Lebenssituation ermöglicht mir unmittelbar die Anschaffung eines neuen Gerätes.

Ich engagiere mich in dem großen Team des „Café Herzenswärme“, das immer freitags von 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr die Türen im Souterrain der Stadtkirche öffnet. Es gibt ohne Kosten einen wärmenden, leckeren Eintopf, Kaffee und Kuchen, manchmal Obst und Joghurt. Und es gibt Gemeinschaft! Im Team ebenso wie an den Tischen. Das macht dankbar und fröhlich.

Ich ermuntere Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das hilft, über den eigenen Tellerrand zu blicken und das eigene Leben mit neuem Sinn zu versehen. Ja, es ist tatsächlich eine Win-win-Situation. Ich gebe nicht nur, ich bekomme dadurch auch ganz viel. Auf der Suche nach dem richtigen Ehrenamt hilft z.B. die Solinger Freiwilligen Agentur e.V. Auf deren Homepage sind alle wichtigen Informationen zu finden.

Beten tue ich übrigens weiterhin auch. Denn ich weiß, dass nicht alles in meiner Hand liegt und dass ich auf andere Wirkmächte angewiesen bin. Das schützt mich auch davor, falschen „Versuchern“ hinterherzulaufen.

Gabi Bergfeld

Solingen singt / M. Nicolini / privat