„Einen Deckel für Gott!“.

Erster Dorper Biergartengottesdienst im „Schaaf“ am Freitag 19. August voller Erfolg.

Dorp – 40 Menschen sitzen an diesem Freitag erwartungsvoll im mit großen Sonnenschirmen überdachten Biergarten des Gasthauses „Schaaf“. Als Eingangslied ertönt das von Pfarrer Jo Römelt umgedichtete „Halleluja“ von Leonard Cohen. Römelt und Vikarin Dr. Stefanie Bluth haben zu einem neuen Kurzgottesdienst-Format geladen. Gastgeber und Wirt Philipp Müller freut sich, dass heute statt der sonst üblichen Bands ein Teil der Dorper Gasthausband aufspielt – Kantorin Stephanie Schlüter und ihr Mann Stephan Hergert. „Mach mir mal einen Deckel“ – heute soll der flotte Kneipenspruch auf einen Deckel für Gott angewendet werden, mit den Fürbitten und Wünschen auf dem Bierdeckel. Und Stephan Hergert erinnert an das Motto der Dorper Gemeinde als lebendiges Gasthaus am Lebensweg der Menschen.

Dorper Kirche und das „Schaaf“ stehen seit Jahrzehnten einträchtig nebeneinander – als die Kirche 1913/14 gebaut wurde, gab es das Haus auf der anderen Straßenseite schon, in dem seit 1934 das „Schaaf“ als Eckkneipe und Gasthaus betrieben wird. Gastwirt Philipp Müller, der sich selbst als keinen Kirchgänger bezeichnet, sieht gleichwohl auch inhaltliche Parallelen zwischen Kirche und Pfarrer:innen auf der einen und dem Wirt und seinem Gasthaus auf der anderen Seite: „Die Menschen kommen mit Sorgen in die Kirche und in die Kneipe. Wir Gastwirte erfahren dabei so manches von dem, wo etwas in den Familien und Beziehungen nicht in Ordnung ist, und das ist bei euch Pfarrern bei Trauergesprächen auch so.“ Außerdem wollten die Menschen in den Kirchen gut unterhalten werden: „Dafür sind doch die Orgeln da!“, sagt Müller unter dem Gelächter der Besucherinnen und Besucher, von denen erkennbar viele neugierige Dorper Gemeindemitglieder sind.

Ob es in diesen Gesprächen an Tresen um Gott und die Welt geht, fragt Stephan Hergert den Wirt Philipp Müller. „Eher um die Welt“, weiß Müller. „Die Menschen haben oft niemand, mit dem sie reden können.“ Also der Wirt als Beichtvater? „Jedenfalls sind wir auch verschwiegen und erzählen nichts weiter“, sagt Philipp Müller bestimmt. Was er denn der Kirchengemeinde nebenan ins Stammbuch schreiben würde? „So wie man als Wirt auf seine Gäste zugehen soll, so sollte die moderne Gemeinde sich den Bedürfnissen der einzelnen Menschen widmen“, sagt Müller. Der Wirt, der im Hauptberuf Journalist bei der führenden Solinger Tageszeitung ist, ist sich sicher: „Stellt den Menschen in den Mittelpunkt!“ Thematisch passend gehört heute Abend das Kultlied der Kölner Band „Bläck Fööss“ zu den Gottesdienstliedern im „Schaaf“, das „Drink doch eene mit!“, während Pfeifenduft in der leichten Abendbrise durch den Biergarten zieht.

„Du schenkst mir voll ein“, dieser Vers aus Psalm 23 passt nur auf den ersten Blick zur Verbindung von Kneipe und Gottesbeziehung. Das erläutert Stefanie Bluth in ihrem Impuls am Mikrofon auf der Bühne aus Europaletten und Holzbalken. Beim biblischen Psalmdichter König David war es die Erfahrung der Überwindung existenzieller Bedrohung für sein Volk Israel. Heute seien es andere Sorgen, an die sich die Menschen bei allem „Mist“ im Leben wenden könnten. „Wir haben die Hoffnung, dass Gott uns in allen Lebenslagen beisteht. Er kann uns geben, was uns sonst keiner geben kann. Er kann die Löcher in unserer Seele stopfen.“

Bluth erzählt von einem privaten Besuch in New York, als sie Reichtum und extreme Armut nebeneinander erlebte. „Da stellt sich schon die Frage, wo Gott hier einschenkt.“ Im Leben und auch in der Kneipe gehe es um das richtige Maß, und wir seien alle gefordert, maßvollen Umgang mit den Ressourcen dieser Welt zu üben. „Faire Verteilung ist wichtig. Konsum soll nicht zur Sucht werden“, ist Bluth überzeugt.

Entstanden war die Idee einer Kooperation zwischen Dorper Gemeinde und „Schaaf“ schon beim „Kirchenmorgen“ an Pfingsten, als ein Workshop in der Dorper Kirche mit gemeinsamem Essen im Gasthaus nebenan stattfand. Zeitgleich hatten auch Stefanie Bluth und Jo Römelt die Idee eines neuen Gottesdienstformats an ungewöhnlichen Orten. „Man holt sich andere Teamplayer ins Boot“, sagt Kantorin Stephanie Schlüter. Das könne Menschen die oft selbst empfundene hohe Schwelle, eine Kirche zu betreten, nehmen. „Crossover ist da der einzige gangbare Weg.“

Ob es eine Wiederholung des Gasthausgottesdienstes im „Schaaf“ geben könnte? Davon sind Philipp Müller und Stephanie Schlüter fest überzeugt.

Hinweis: Einen weiteren Bericht über den ersten Dorper Biergartengottesdienst finden Sie jetzt auch auf den „Klingenkirche“-Seiten des Kirchenkreises Solingen https://www.klingenkirche.de/aktuell/aktuelle-meldungen/aktuelle-meldungen-leser/185553.html

 

Marcus Nicolini

M. Nicolini / P. Müller