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"2Flügel"-Abend für alle Sinne mit „Weltjahresbestzeit“.
Interview mit der Autorin und Theologin Christina Brudereck, die am 2. Dezember in der Dorper Kirche gastiert.
Am Vorabend des 1. Advents trägt die von Kirchentagen und als Schriftstellerin bekannte Essenerin in der Dorper Kirche Texte aus dem neuen Bühnenprogramm „Weltjahresbestzeit II“ des Duos „2Flügel“ vor. Das gleichnamige Buch besteht aus 112 Gedichten, Notizen, Geschichten und Gebeten, „nachdenklich und zum Schmunzeln“, wie Christina Brudereck sagt. Begleitet wird die Theologin von ihrem Mann Dr. Ben Seipel, der am Dorper Flügel bekannte adventliche und weihnachtliche Lieder spielt, teils neu jazzig interpretiert.
Wir haben im Vorfeld des Abends (Samstag 2. Dezember, 19 Uhr) mit Christina Brudereck und ihrem Mann über das Weihnachtsprogramm, die Zeitläufte und ihr Leben gesprochen.
Dorper InnenAnsichten: Ihr kündigt auf eurer Homepage einen „Abend für alle Sinne“ an. Ohren und Augen können wir uns vorstellen – wie erreicht ihr die Menschen im Herzen, bei Geruchs- und Geschmackssinn?
Christina Brudereck: In Zeiten, die mich sprachlos machen, sehne ich mich nach Worten, die verstehen, mitfühlen, trotzen. Auf der Bühne teile ich meine Wortschätze.
Ben Seipel: Musik berührt nochmal anders als Worte. Musik beteiligt Menschen ganz. Das Ohr. Und das Fühlen, Denken, Erinnern. Die Finger schnipsen. Das Herz schlägt mit.
Frage: Christina, auf Deiner Facebookseite lesen wir von Dir, dass der Advent Hoffnung gibt. Und Du zitierst einen Satz von Dorothee Sölle „Gib mir die Gabe der Tränen“, damit wir die Liebe und die Hoffnung nicht verlieren. Hoffnung bekommen und Hoffnung nicht verlieren – wie geht das in diesen furchtbaren Zeiten zusammen?
Christina Brudereck: Zuerst möchte ich sagen: Wir sind ja nicht die einzigen und nicht die erste Generation, die diese Gleichzeitigkeit erlebt. Advent im Krieg. Weihnachten trotz Krieg. Echte Verzweiflung und trotzige Zuversicht. Das Trauern, Innehalten, Zulassen, das Eingestehen von Hilflosigkeit braucht Raum. Und dazu das Ja zum Leben. Der Mut, diese Welt schöner, liebevoller, fairer zu machen. Da, wo wir jeweils sind.
Frage: Am Tag des Hamas-Angriffs auf Israel schreibst Du erschüttert auf Instagram, „um Frieden zu beten, bedeutet ja auch, der Hoffnung das Wort zu geben, ihr eine Form zu geben, sie immer wieder zu formulieren“. Wie finden wir passende Worte, um Frieden zu bitten?
Christina Brudereck: Ich weiß nicht, ob ich sie finde. Ich suche sie jedenfalls. Ich will sie aufspüren. Oft leihe ich mir Worte aus den Psalmen. Diese uralten Gebete, die schon so oft und lange und weltweit der Hoffnung das Wort gegeben haben. Oft rotzig, ehrlich, trotzig.
(Fortsetzung nächste Spalte)
Eintrittskarten gibt für 15 Euro für Erwachsene und Schüler*innen und Studierende 10 Euro im Vorverkauf im Gemeindebüro, dem Geschenkladen Pot-Pourri, bei Kantorin Stephanie Schlüter und über Solingen live.
Frage: Werte, die Dir wichtig sind, sind Erbarmen, Menschlichkeit, Mitgefühl und Zusammengehörigkeitsgefühl. Tun wir Christinnen und Christen genug dafür, diese Werte in die Welt einzubringen?
Christina Brudereck: Für mich ist beides wahr: „Es ist nie genug“ und „Du bist genug“. Wir sollen tun, was wir können. Es gibt sicher auch bequeme Gleichgültigkeit. Und genauso sicher gibt es Interesse, Initiative, Ausdauer, Einsatz. Ohne das christliche, ehrenamtliche Engagement zum Beispiel wäre die Welt noch viel kälter.
Frage: Eine Deiner berührenden Gottesaussagen ist, dass es eine große, segnende Kraft gibt, die wir Gott nennen. Wo spürst Du in Deinem Leben diese segnende Kraft?
Christina Brudereck: Im „Spüren“ bin ich nicht so gut. Ich sage lieber: Ich denke mich nicht ohne Gott. Ich will nicht ohne die Idee, dass ein Gott ist: Für uns. Für uns da. Für alle. Immer. Das ist mein Vertrauenssatz: Wir sind nicht allein.
Frage: Ben und Du, ihr engagiert euch in Essen im Gemeindeprojekt „CVJM e/motion“. Hier in Dorp verstehen wir uns als „Gasthausgemeinde“ zum Einkehren und Auftanken. Wo erlebt ihr Aufbrüche von Spiritualität, die euch Mut für Gottglauben und Kirche machen?
Christina Brudereck: Gasthausgemeinde, das ist eine schöne Beschreibung. Die würde auch zu unserem Zuhause passen. Wir sagen oft: Willkommen. Wer auch immer Du bist. Was auch immer Du glaubst. Wo auch immer Du Dich befindest auf Deiner Lebensreise. Wen auch immer Du liebst. Willkommen.
Ben Seipel: Jetzt bei der Weihnachtstour werden wir sehr viel Gastfreundschaft erleben. Ganz geballt. Sound und Licht, dazu Deko, Sterne, Tannenzweige, Plätzchen, Punsch, Wärme – das alles heißt doch für die Gäste wie für uns: „Schön, dass Ihr da seid“.
Frage: Du hast in diesen Tagen Geburtstag, zwischen Totensonntag und 1. Advent, sinnbildlich zwischen Tod, Lebensbeginn und neuer Hoffnung. In dieser Zeit liegt auch Dein Konzert in Dorp. Wird dieser große Spannungsbogen auch in Deinen Texten erfahrbar sein?
Christina Brudereck: Es geht nicht anders. Zu einem 2Flügel-Abend gehören Fragen, Sorge, Widerspruch und Schmunzeln. Ich feiere meinen 54. Geburtstag. Zwei Tage später den 2. Todestag meiner Mama. Am Sonntag dann Ewigkeitssonntag. Alles soll Platz haben. Die Lebensfreude, das Vermissen, Dankbarkeit und die große Sehnsucht, dass einmal alles gut wird mit uns.
Die Fragen stellte Marcus Nicolini.
Christina Brudereck & Dr. Ben Seipel
„2Flügel“ – Christina Brudereck