Ein Werk von zeitloser Schönheit und Wertigkeit.

Doppel-Interview mit Stephanie Schlüter und Michael Schruff vor dem „Elias" am 12 . November.

Am Sonntag 12.11. (16 Uhr) führen die evangelische Dorper Kantorei und der katholische „Kreuz#fidel“-Chor zusammen mit den Bergischen Symphonikern das Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy auf. Die Leitung in der katholischen Clemenskirche hat der Kirchenmusiker und katholische Regionalkantor Michael Schruff; die Dorper Kantorin, evangelische Kreiskantorin und Kirchenmusikdirektorin Stephanie Schlüter studierte das Stück mit der Dorper Kantorei ein. Das Werk über den biblischen Propheten Elias wurde 1846 in Birmingham uraufgeführt und gilt vielen Sangesbegeisterten als Höhepunkt des Schaffens des Komponisten Mendelssohn Bartholdy.

Frage: Der „Elias“ sollte schon 2021 von beiden Chören aufgeführt werden; die Idee musste wegen der Pandemie verschoben werden. Warum habt ihr gerade dieses – mit zwei Stunden Dauer monumentale – Werk gewählt?

Michael Schruff: Von den großen Werken für Chor und Orchester ist der „Elias“ sicherlich eines der faszinierendsten Werke, die ich kenne. Als der Chor Kreuz#fidel ihn dann 2005 zum ersten Mal mit dem damaligen Walder Kantor Julius Voget und zwei Jahre später mit Romely Pfund, Generalmusikdirektorin der Bergischen Symphoniker, aufgeführt hat, war ich total begeistert von diesem Stück. Da ich es damals nur einstudiert habe, hatte ich natürlich den Wunsch, dieses Werk auch einmal selbst zu leiten. Als Stephanie Schlüter mich dann hinsichtlich einer gemeinsamen Aufführung ansprach, habe ich sofort zugesagt.

Stephanie Schlüter: Es gibt Werke, die von zeitloser Schönheit und Wertigkeit sind. Für mich zählt der „Elias“ zu dieser Reihe. Nicht umsonst wurden etliche Nummern im Nachhinein auch als Einzelstücke bekannt, wie z.B. der Doppelchor „Denn er hat seinen Engeln befohlen“. Diese Sätze geben Halt in turbulenten Zeiten, die sich auch in diesem Werk widerspiegeln.

Das Werk zeigt im ersten Teil einen zu Gewalt aufrufenden Propheten Elias, der gegen die Vielgötterei der Königin des damaligen Nordreichs kämpfte, die als Kanaanäerin dem Baalskult anhing. Wie zeitgemäß sind solche dramatischen, historischen Stoffe?

Michael Schruff: Es gibt Kunst, die ist einfach zeitlos, und für mich zählt der „Elias“ dazu. Außerdem würden wir doch kulturell total verarmen, wenn wir auf all das, was in Opern und Oratorien vertont ist, verzichten würden. Wo sonst kann man die gesamte Palette der Emotionen von Verzweiflung, Wut, Freude etc. denn noch ausdrücken, wenn nicht auf der Bühne?

Michael Schruff

Stephanie Schlüter: Die jetzige Situation im Nahen Osten spiegelt die lange Geschichte des Volkes Israel mit seinen Nachbarvölkern wider. Es ging schon immer um Existenz, Recht, Verfolgung und leider auch Gewalt. Für mich stellt sich immer wieder die Frage: Wo kommt für uns Menschen Gott an diesem Punkt vor? Was verkündigen wir heute? Ist es Vergeltung und Rache oder die Suche nach dem Frieden?

Nachfrage: Welche Botschaft steckt für euch in dem Werk?

Michael Schruff: Auch wenn die Gewalt vordergründig großen Raum in diesem Werk einnimmt, ist die Botschaft doch eine ganz andere: Gott (ein Altsolo !!) ist traurig, nachdem Elias die Baalspropheten getötet hat. Auch Elias will, nachdem die Königin ihn töten lassen möchte, nicht weiterleben und flieht in die Wüste. Und hier erscheint Gott nicht im Feuer, nicht im Sturm und nicht im Erdbeben, sondern in einem ganz sanften Säuseln. Die Botschaft in diesem Stück ist für mich also genau das Gegenteil: Gewalt ist letztlich keine Lösung.

(Fortsetzung nächste Spalte)

Stephanie Schlüter: Vielleicht ist es vermessen, aber gerade eine Geschichte, wie wir sie hier vorfinden, lässt die Friedensbotschaft Jesu in hellem Licht erstrahlen. Jesus steht als frommer Jude in dieser Tradition, er steht mit Elias „in Kontakt“ und führt die Geschichte weiter, indem er die Stille sucht, den Frieden verkündet und den richtenden Gott liebevoll seinen Vater nennt.

Stephanie Schlüter

Wie erlebt ihr es, dass sich zwei konfessionell verschiedene Chöre ökumenisch begegnen? Was bedeutet euch das?

Michael Schruff: Schon 1994 bei meinem Dienstantritt in Solingen durfte ich Mendelssohns „Lobgesang“ dirigieren, der von der Dorper Kantorei, dem Oratorienchor Wald und dem Kirchenchor St. Clemens aufgeführt wurde. Seidem hat es viele gemeinsame ökomenische Projekte gegeben, denn das verbindende Element der Musik ist viel stärker als konfessionelle Unterschiede. Besonders deutlich wurde dies 2009 bei einem ökumenischen Konzert in der Lutherkirche. Hier war „Lauda Sion“ von Mendelssohn, eine Vertonung der Fronleichnamssequenz, das Hauptwerk des Abends.

Stephanie Schlüter: Uns trennt doch viel weniger als das, was uns verbindet! Erstens verbindet uns die Liebe zum Chorgesang, zur Musik und zum Glauben. Zweitens sind wir auf verschiedenen anderen Ebenen bereits verbunden. Viele Sänger*innen kennen sich persönlich, singen vielleicht in anderen Projekten bereits gemeinsam. Das können wir als Gemeinschaft der christlichen Kirchen doch nur fördern.

Der „Elias“ ist in Solingen selten zu hören. Dürfen wir eine volle Clemenskirche erwarten?

Michael Schruff: Ich glaube schon, dass wir 400 bis 500 Zuhörerinnen und Zuhörer haben werden. Ob wir die 600 schaffen, die maximal hineinpassen, müssen wir abwarten.

Bei der Uraufführung sollen 300 Musikerinnen und Musiker mitgemacht haben. Singen mit sehr vielen Menschen im Chor war damals „in“. Heute kann das ein einzelner Chor nicht mehr alleine stemmen. Sind solche Kooperationen, wie jetzt zwischen St. Clemens und Dorp, die Zukunft des großen Chorgesangs in Solingen?

Michael Schruff: Ich glaube schon, dass es Sinn macht, sich für Projekte mit einer großen Orchesterbesetzung zusammenzutun. Aber dafür sind zwei Dinge enorm wichtig: Die Chorleiter*innen müssen sich gut verstehen, gut zusammenarbeiten und aufeinander verlassen können. Auch das Niveau der Chöre darf nicht zu unterschiedlich sein. Ich glaube, in unserem Fall trifft beides zu.

Stephanie Schlüter: Das kann ich nur unterstreichen! Hier zeigt sich auch das gute Miteinander in einer Stadt wie Solingen. Aufeinander zu und miteinander hin zu großen Projekten: Das ist – neben der Stärkung im Kleinen und Persönlichen – die Zukunft von Kirche insgesamt.

Die Fragen stellte Marcus Nicolini.

Michael Schruff – Stephanie Schlüter

privat – St. Clemens/Ev. Dorp