Dorperin war zugleich Organistin in Kirche und Synagoge.

Helene Sternsdorff steht für christlich-jüdische Zusammenarbeit in der Weimarer und frühen NS-Zeit.

Helene Sternsdorff (1881-1951) bewarb sich 1906 bei der Evangelischen Gemeinde Solingen um eine freie Organistenstelle. Das Presbyterium empfahl ihr die Synagogengemeinde. Dort wurde sie umgehend eingestellt. 1911 stellte auch das Presbyterium sie ein. Seither spielte sie am Sabbat das Harmonium in der Synagoge, am Sonntag im Wechsel die Orgeln in der Alten Kirche, Lutherkirche und seit 1914 auch in der Dorper Kirche. Zudem leitete sie Chöre der Synagogengemeinde und der Evangelischen Gemeinde.
Der Kölner Rabbiner Dr. Irsael Schwarz charakterisierte diese Haltung 1872 mit den Worten, „die brüderliche Liebe unter allen Confessionen … sei die beste Waffe gegen den Fanatismus … und eine dauerhafte Schutzwehr gegen den Bruderstreit“.

Doch als die NSDAP-nahen „Deutschen Christen“ in den Kirchenwahlen 1933 die Mehrheit des Presbyteriums errangen, schalteten sie die Kirche dem Staat gleich und verlangten von Helene Sternsdorff, den Dienst in der Synagoge oder in der Evangelischen Gemeinde aufzugeben. Die Reichskulturkammer, an die sie sich wandte, forderte, das Presbyterium müsse ihr den Dienst in der Synagoge erlauben oder sie für die entgangenen Synagogendienste entschädigen. Dazu war das Presbyterium nicht bereit. Nun nahmen die Jüdin Wilma Leven und Helene Sternsdorff den Dienst am Harmonium der Synagogengemeinde wahr, bis die Synagoge in der Reichspogromnacht 1938 zerstört wurde.

Bis in den Zweiten Weltkrieg gab Helene Sternsdorff Solinger Juden handwerkliche Aufträge und richtete eine verdeckte Poststelle ein. Sie repräsentierte christlich-jüdische Zusammenarbeit in widriger Zeit.

(Zuerst veröffentlicht im Dorper Gemeindebrief Nr. 3/2021, Juli 2021, Serie „450 Jahre jüdisches Leben in Solingen“)

Dr. Horst Sassin

Stadtarchiv Solingen