„Tango für die Kölschen Baustellen“.

Musiker „Cuarteto Tango Para Ti“ und Walter Reetz/Jana Schiller begeisterten in der Dorper Kirche mit Argentinischem Tango.

Premiere in der Dorper Kirche: Erstmals erklang am vergangenen Samstagabend Musik des „Tango Argentino“ im Kirchenraum an der Schützenstraße in Solingen. Die rheinische Tango-Band „Cuarteto Tango Para Ti“ hatte zum Konzert eingeladen. Die vier Musiker Henrik Albrecht (Bandoneon), der durchs Programm führte, der aus Solingen stammende Volker Höhmann (Kontrabaß), Stefan Thomas (Flügel) und Wolfgang Richter (Violine) versetzten die 90 Gäste in der Dorper Kirche für anderthalb Stunden in die Atmosphäre in Buenos Aires, wo der Tango seinen Ursprung hat.

Und Tanzlehrer Walter Reetz von „Tango Z“ und seine Partnerin Jana Schiller verzauberten das Publikum mit ihren ausdrucksstarken Tanzdarbietungen zur live-Musik.

„Die Seele des Tango ist der Rhythmus“, sagt Stefan Thomas, der dem Dorper Flügel hier noch nicht gehörte Töne entlockte. In den Armuts- und Hafenvierteln der Einwanderer in Buenos Aires und Montevideo mit seinen Milieus von Arbeitslosigkeit, Kleinkriminalität und Prostitution entstanden, wurde der Tango Argentino zum Ausdruck existenzieller Not und menschlicher Einsamkeit. Seit Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich der Tanz, der im Gegensatz zum klassischen Tango nicht aus Figuren besteht, sondern durch die Improvisation von beliebig kombinierbaren Tanzelementen besticht, weltweit.

 

„Wir haben auch im Glauben Leidenschaft und Emotionen“, sagte die Dorper Kantorin Stephanie Schlüter bei der Begrüßung. Bei Ev. Kirchentagen sind die Tango-Gottesdienste meist gut besuchte Nischenthemenabende für Tangofreund:innen. Kraftvoll füllt die emotionale Musik des Argentinischen Tango die Dorper Kirche, wie beim Klassiker „El Choclo“, zu deutsch: der Maiskolben, 1903 von Angel Gregorio Villoldos (1861-1919), dem wohl bekanntesten Tango. Villoldos gilt als Pionier der Tangomusik.

Walter Reetz und seine Tanzpartnerin Jana Schiller in dem für den Tango typischen geschlitzten Kleid zeigen an diesem Abend, wie faszinierend und hingebungsvoll der perfekt synchron getanzte Tango Argentino ist. „Man ist beim Tanzen für drei Minuten absolut im Hier und Jetzt“, schwärmt Jana Schiller.

Und Walter Reetz, der in Solingen, Neuss und Wuppertal-Cronenberg schon Dutzende mit dem Tango-Virus in Berührung gebracht hat und in Bochum eine eigene Tanzschule betreibt, ergänzt zur Frage, wie man zum Tango Argentino kommt: „Wenn Du soweit bist, wird der Tango Dich finden. Du brauchst ihn nicht zu suchen.“

Henrik Albrecht, dessen Bandoneonspiel den typisch wehmütigen Sound des Tango liefert, bedauert an diesem Abend, nicht selbst mehr den beiden Tanzenden zuschauen zu können.

Albrecht war es, der 1990 im Hafenviertel von Köln den „Rheinischen Tango“ erfunden hat. „Wir haben festgestellt, dass es ähnliche Themen im Argentinischen Tango wie in Köln gibt – das Büdchen um die Ecke, die Liebe, die Leidenschaft“, erinnert sich Albrecht. In den rheinischen Tangostücken von „Cuarteto Tango Para Ti“ erkannt man immer wieder Melodieanleihen der Kölner Kultband „Bläck Fööss“, wie bei „In unserm Veedel“ oder bei „Mir lasse d’r Dom in Kölle“, einem „Schenkelklopfer des Kölner Liedguts“, wie Henrik Albrecht sagt. „Wir haben Tango für die Kölschen Baustellen komponiert“, so Albrecht augenzwinkernd.

Im Repertoire des Abends darf auch Astor Piazzolla (1921-1992) nicht fehlen. In Dorp erklingt an diesem Abend das Stück „Winter“ aus seinem Werk „Vier Jahreszeiten“, unverkennbar an Antonio Vivaldi angelehnt. Der argentinische Bandoneon-Spieler Piazzolla hat mehr als 300 Tangos komponiert. „Er hat mal gesagt, seine Tangos sind nicht für die Füße, sondern für das Ohr“, erzählt Walter Reetz. Der Tango-Großmeister Piazzolla gilt als Erfinder des Nuovo Tango, des Neuen Tangos mit modernem Arrangement, mit dem der Argentinische Tango seit den 1980er-Jahren auch in Deutschland bekannt wurde. Seit 2009 ist der Tango Argentino sogar Immaterielles Weltkulturerbe der Menschheit.

Das Tango-Quartett holt die Älteren unter den Dorper Zuhörenden mit dem 1950er-Jahre Evergreen „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ und damit bei der Fernsehnsucht der Nachkriegsgeneration ab. Das Stück ist im typischen Tango-Arrangement von „Cuarteto Tango Para Ti“ gehalten, was im ausdrucksstarken Finale mit dem rheinisch inspirierten „Bläck Fööss“-Hit „Drink doch eene mit“ besonders deutlich hörbar wird.

Stephanie Schlüter mit Musikern und Tanzpaar beim Schlussapplaus

Zwei Zugaben und stehende Ovationen sind der Lohn für begeisterte Musikfreunde und wunderbare Musiker:innen an einem mitreißenden Tango-Abend in Dorp.

Jana Schiller und Walter Reetz von "Tango Z"

Link: „Tango Z“ https://www.tango-solingen.de/

Marcus Nicolini

 Marcus Nicolini