Die Dorperin Susanne Oehler engagiert sich in der Begleitung Sterbender.

Am 14. Oktober ist der Deutsche Hospiztag. 30 Jahren Palliatives Hospiz Solingen e.V.

Wir haben mit einer Ehrenamtlichen aus Dorp gesprochen, die sich im ambulanten Palliativen Hospiz Solingen (PHoS) engagiert. Susanne Kern, Diplompsychologin und Leitung des ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienstes, hat uns über die Arbeit des PHoS informiert. Ein separates Interview mit Pfarrerin Raphaela Demski-Galla („3 Fragen an…“) darüber, wie Gemeinde und Kirche im Sterbeprozess und bei der Trauerarbeit begleiten können, finden Sie hier.

Susanne, warum hast Du den Weg in die Sterbebegleitung gesucht?
Im Altenheim war viel zu wenig Zeit für Sterbebegleitung, das hat mich sehr unzufrieden gemacht. Zu Beginn meiner Berufstätigkeit wurde das Thema Sterben und Tod noch verdrängt, das hat sich zum Glück geändert! Aber der ständige Zeitdruck ist geblieben. Ich bin als ehrenamtliche Sterbebegleiterin jetzt viel näher an den Menschen dran als früher, habe mehr Zeit die Bedürfnisse der Sterbenden und ihrer Angehörigen zu erfragen und zu berücksichtigen.

Zur Person:
Susanne Oehler war 33 Jahre als Sozialpädagogin in einem Altenheim tätig. Seit 2011 lebt sie im Gebiet der Gemeinde Dorp. Nach dem Renteneintritt hat sie vor zwei Jahren den Weg zum PHoS gefunden.

Wie läuft die Begleitung sterbender Menschen ab?
Man muss sich behutsam herantasten. Wieviel möchte der Sterbende? Was wünschen sich die Angehörigen? Die Menschen sind sehr sensibel, feinstofflich. Man sollte nicht denken, was TUN zu müssen. Einfach DA zu sein ist schon sehr viel! Ich erhalte im Vorfeld Informationen von der Koordinatorin und auch der erste Besuch findet gemeinsam statt. Wenn Gespräche mit der sterbenden Person möglich sind, ist das prima. Manchmal ist man jedoch nur da und wartet auf ein Signal, reicht etwas zu trinken.

Manchmal ist es möglich etwas vorzulesen oder einen Bildband zusammen anzuschauen. Wenn der Sterbende möchte, kann man die Hand oder Schulter halten. Phasen von Wachheit wechseln sich oft mit Phasen geschlossener Augen ab. Es geht um das, was den Sterbenden interessiert, was er sich wünscht. Die Gespräche und die Atmosphäre können sehr dicht sein. Ich habe schon erlebt, dass ich nach Stunden des Schweigens den Raum verlassen möchte, der Sterbende die Augen öffnet und sich bedankt.

Wichtig ist der Kontakt zu den Angehörigen. Ihre Situation bekommt man beim Besuch zu Hause ganz gut mit. Manche Angehörigen wünschen sich, einfach mal entlastet zu werden, um Arzttermine wahrzunehmen, zum Friseur oder einkaufen zu gehen oder sich mit Freunden zu treffen.

Die Begleitung sterbender Menschen ist sicher nicht immer leicht?
Natürlich gibt es auch Ausnahmesituationen, jeder stirbt anders. Und manchmal gibt es Spannungen zwischen Familienmitgliedern oder man erfährt von Kindern, die sich vom Elternteil entfremdet haben. Gerade weil man als Begleiterin eine emotionale Nähe zum Sterbenden aufbaut, kann das schonmal zu Eifersucht führen. Manchmal ist noch etwas offen, weshalb die Sterbenden noch nicht gehen können. Dann gilt es der Familie Raum zu schaffen. Genauso wichtig ist es, sich auch abgrenzen zu können.

(Fortsetzung Interview nächste Spalte)

Infos (I): Die Ausbildung
Die Ausbildung zur Sterbebegleiter:in dauert ein Jahr und startet mit einem Hospizkurs „End-lich Leben“, der aus einem Auftakttag und acht Abendterminen besteht. An diesem können auch interessierte Bürger:innen teilnehmen. Danach findet ein Gespräch statt, in dem geschaut wird, ob eine Mitarbeit bei PHoS sinnvoll ist. Es folgt ein Aufbaukurs mit weiteren acht Abenden und drei Wochenendveranstaltungen, z.B. zu den Themen Kommunikation und Gesprächsführung, sowie zu Hospizarbeit konkret. Auch Selbsterfahrung gehört mit dazu. In einer Hospitation im stationären Hospiz wird oft erstmals der Kontakt zu Sterbenden hergestellt. Alle angehenden Sterbegleiter:innen durchlaufen dieselbe Befähigung, egal welche Vorbildung jemand hat.

Der Austausch mit erfahrenen Begleiter:innen in Arbeitsgruppentreffen und Supervision ist Teil der Praxis. In der Regel begleitet man nur eine Person in der letzten Lebensphase. Das kann in Altenheimen, zu Hause, im stationären Hospiz oder in den Solinger Krankenhäusern sein. Es gibt die Möglichkeit an weiteren Seminaren und Veranstaltungen von PHoS teilzunehmen. Der jährlichen Hospiztag ist die größte Veranstaltung, die sich an alle Solinger Bürger:innen richtet und viel durch ehrenamtliche Mitarbeitende unterstützt wird. Des Weiteren unterstützen Ehrenamtliche an Infoständen, bei „Leben braucht Vielfalt“, beim Zöppkesmarkt und vielen anderen Veranstaltungen. Ein neuer Hospizkurs ist am 1.9.2023 gestartet. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Trauerangebote, wie z.B. das Frühstück für Trauernde, das Trauercafé, Wandern mit Trauernden, die durch ehrenamtliche extra geschulte Trauerbegleiter:innen durchgeführt oder unterstützt werden.

Wie lange begleitest Du den sterbenden Menschen?
Das kann von wenigen Tagen oder einem Monat bis zu mehr als einem Jahr reichen. Ein- bis zweimal die Woche gehe ich zu den Menschen, in der finalen Phase kann es häufiger sein. Ob am Vor- oder Nachmittag, wird mit den Sterbenden bzw. Angehörigen besprochen. Drei Menschen habe ich bislang bis in den Tod begleitet. Ich bin frei zu entscheiden, wieviel Zeit ich erübrigen kann. Das Problem ist, dass es zu wenige Hospizplätze gibt. Viele Menschen sind alleine, und es ist dann nicht einfach sie in dieser letzten Phase angemessen zu versorgen.

Das neue Palliative Hospiz Solingen am Botanischen Garten

Wie wird der Prozess der Sterbebegleitung bei euch aufgefangen?
Bei PHoS gibt es ein Nachgespräch mit der Koordinatorin, wenn der Mensch verstorben ist. Wir sprechen darüber, wie die Begleitung gelaufen ist. Gab es Probleme mit Angehörigen? Dazu hilft die Mappe mit Aufzeichnungen und Eindrücken, die wir Sterbebegleiter:innen im Betreuungsprozess angelegen. Zum Abschiednehmen gehört auch die Teilnahme an der Beerdigung, wenn die Angehörigen dies möchten.

Wie kommt ihr an die Menschen, die sich Begleitung am Ende ihres Lebens wünschen?
Die Sterbenden werden PHoS durch den Pflegedienst, das Palliativteam Solingen [SAPV – spezialisierte ambulante Palliativversorgung], den Arzt oder das Altenheim vermittelt. Gerade bei Alleinlebenden ist das wichtig. Das läuft in Solingen super, PHoS ist inzwischen sehr bekannt. Auch erkrankte Menschen selbst oder ihre Zugehörigen fragen bei PHoS um Unterstützung an.

Die Fragen stellte Marcus Nicolini

Susanne Oehler in der Dorper Kirche

Infos (II): Das Palliative Hospiz und der PHoS e.V.
Vollstationäres Haus am Botanischen Garten mit 10 Zimmern, 2018 eröffnet. Baukosten 3,5 Mio. Euro aus privaten Mitteln (Spenden). Träger ist der Verein „Palliatives Hospiz Solingen (PHoS) e.V.“, der 1993 gegründet wurde. Der Verein bietet Informationskurse „Letzte Hilfe“ an, auch in den Solinger Kirchengemeinden. Ebenso berät der Verein bürgerschaftlich zum Thema Patientenverfügung. Auch die Trauerarbeit ist ein wichtiges Themenfeld.
Über 90 Ehrenamtliche engagieren sich zurzeit bei PHoS in unterschiedlichen Bereichen. Der Hospizverein feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Ein geschäftsführender Vorstand leitet den Verein. Drei Koordinatorinnen leiten den ambulanten Dienst und koordinieren, befähigen und unterstützen die ehrenamtlichen Mitarbeitenden. 

Alle Informationen von Susanne Kern, PHoS

Zur Homepage des PHoS e.V. hier.

Außenbereich des Eingangs zum Hospiz

Infos (III): Finanzieren und Unterstützen
Der ambulante Hospizdienst wird durch die Krankenkassen gefördert. Das stationäre Hospiz hat einen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen, dieser beinhaltet einen Pflegesatz. Weder Förderung noch Pflegesatz decken alle Kosten. Fünf Prozent des Tagessatzes muss das Hospiz über Spenden aufbringen. Personalkosten im stationären Hospiz entstehen durch die Pflegekräfte, den Koch, die Hauswirtschaft, die sehr individuell auf die Wünsche der Sterbenden eingeht, durch eine Musikgeragogin und eine Psychologin.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen bekommen eine kleine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit.
Der Verein lebt von Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Sponsoring.

Hier können Sie spenden:
Palliative Hospizstiftung
Kreditinstitut: Stadt-Sparkasse Solingen, IBAN: DE 59 3425 0000 0005 8768 75

Susanne Oehler – Susanne Kern – Marcus Nicolini – Raphaela Demski-Galla

Marcus Nicolini, Palliatives Hospiz Solingen