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Wenn Paare ungewollt kinderlos bleiben.
Unterstützungswege sind vielfältig – auch seelsorgliche Begleitung gehört dazu.
Von Bärbel Visser
In Deutschland sind ca. 20 Prozent aller Paare kinderlos; fünf Prozent sind es ungewollt. Unfruchtbarkeit bei Kinderwunsch zählen betroffene Paare zu ihrer schlimmsten Lebenserfahrung. Die Sehnsucht nach einem Kind weist hin auf eine schmerzhafte Lücke in ihrem Herzen. Kinderlosigkeit wird als Makel, als Versagen erlebt. Frauen zweifeln an ihrem Selbstwert, Männer stellen ihre Männlichkeit in Frage. Neidgefühle und Trauer über das, was sie ersehnen, doch niemals haben werden, begleiten sie. Nicht immer finden sie in der Familie und im Umfeld Verständnis für ihren seelischen Schmerz. Erschwerend kommt hinzu, dass ungewollte Kinderlosigkeit immer noch ein Tabuthema ist. Das darf es nicht bleiben!

Manchen Paaren kann die Reproduktionsmedizin helfen. Es ist kein einfacher Weg. Für die Frau körperlich und für beide seelisch fordernd, mitunter zermürbend. Eine langwierige Diagnostik geht voraus. Die Gefühle wechseln zwischen Hoffen und Zuversicht, Enttäuschung und Resignation. Wird es diesmal klappen mit einem Baby? Nur bei 50 Prozent der medizinisch Hilfesuchenden erfüllt sich der Wunsch nach einem Kind. Oft die bange Frage: Wieviele Versuche bezahlt die Kasse uns noch? Paare erleben bei dieser Therapie-Prozedur oft Unverständnis, Isolation, Ausgrenzung, Druck und Schamgefühl. Dabei helfen dann Online-Foren und Communitys, um Erfahrungen auszutauschen, offen über Gefühle zu reden und einander im gegenseitigen Verstehen und Verständnis zu stärken.
Ein anderer Weg zum Kind ist die sogenannte „Leihmutterschaft“, die weltweit ein Milliardengeschäft ist. Anders als die Samenspende ist die Eizellspende in Deutschland noch verboten. Über die Legalisierung wird weiter diskutiert. Bei allen Therapiemöglichkeiten, die mit dieser Hoffnung verbunden wären, ist auch die sozial-psychologische Seite zu beachten, beispielsweise die Sicht der betroffenen „Samenkinder“.

Zeiten der Auseinandersetzung mit Kinderlosigkeit und Kinderwunschbehandlung können Krisenzeiten sein, in denen die Paare besondere Unterstützung brauchen. Ein Lebensumfeld, das für die Not des Paares offen ist, kann eine erste Hilfe sein, denn Betroffene wünschen sich wahrgenommen und ohne Wertung verstanden zu werden. Psychosoziale Beratung ist Bestandteil der Kinderwunschbehandlung und hilft auch bei der Trauerverarbeitung, wenn der Kinderwunsch nicht in Erfüllung geht (siehe dazu das Informationsportal Kinderwunsch, Internetadresse am Schluss des Beitrags).
Seelsorgerliche Begleitung wird durch die Pfarrerinnen und Pfarrer angeboten, auch in der Gemeinde Dorp. Denn ein unerfüllter Kinderwunsch hat nichts mit Schuld oder Versagen zu tun und ist und war niemals eine Strafe Gottes!

Ein großer Bereich ist auch die Trauerverarbeitung um das Kind, das nie geboren werden konnte (ebenso wie für das Embryo, das unerwartet schon im Mutterleib starb oder das tot zur Welt gebracht werden musste). Es bleibt ein großer Trauerschmerz, und für dessen Bewältigung braucht es ein bewusstes Abschiednehmen und auch Abschiedsrituale, um wieder inneren Frieden zu finden. Dazu können aus der Erfahrung christlicher Familien auch biblische Erzählungen gehören, die letztlich Frieden geschenkt haben.

Zu den „kinderlosen“ Eltern gehören auch die Eltern, von denen sich die Kinder ganz abgewendet haben, aus welchen Gründen auch immer. Auch sie leiden unter einer schmerzhaften Kinderlosigkeit. Schuldgefühle und Zweifel können zur Existenzfrage werden. Und dann noch die Großmütter (und -väter), die wirklich auch leiden unter „Enkellosigkeit“, weil so viel Liebe und Sehnsucht in ihnen ist.
Wenn heute viele Frauen kinderlos bleiben, kann Jesus Christus Vorbild und Stütze sein. Er definiert Frauen nicht mehr nur über ihre Rolle als Hausfrau und Mutter; er ermutigt sie sogar, sich selbst nicht mehr nur darüber zu definieren (siehe im Lukasevangelium Kapitel 11, Verse 27 und 28). Frauen, die ihre Identität nicht nur an ihren Gefühlen oder ihrem Umfeld festmachen, sondern daran, wie Gott sie sieht, was Gott ihnen gegeben hat, sind unglaublich stark und ein Segen für ihr gesamtes Umfeld.
Jenseits aller unerfüllter Wünsche dürfen und können wir ein erfülltes Leben führen an der Hand Gottes, wie es schon im Alten Testament in den Psalmen (Psalm 37 Vers 5) heißt: „Lass den Herrn deinen Weg bestimmen, vertraue auf ihn, und er wird handeln.“
Bärbel Visser ist Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin im Ruhestand und Dorper Gemeindemitglied
Eine gekürzte Fassung dieses (jetzt auch inhaltlich erweiterten) Textes ist auch im Gemeindebrief „leben & erleben“ Nr. 1/2025 auf Seite 13 erschienen.
Eine informative Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu allen Fragen rund um unerfüllten Kinderwunsch
pro familia Beratungsstelle Solingen
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Telefon: 0212 76101
berät zu allen Themen bei Kinderwunsch und (ungewollter) Schwangerschaft
Bärbel Visser
1.Kerstin Dupont; 2. Christiane Raabe/(Foto) Dorothee Andrae (Skulptur); 3. Pixabay.comin: alles aus pfarrbriefservice.de